
Thomas Burkhard, Wirtschaft und Mittelstand
In einer Halle in San Jose, Kalifornien, nimmt Jensen Huang im typischen schwarzen Lederjackett die Bühne ein. Der Nvidia-CEO verspricht wieder einmal eine bahnbrechende technologische Revolution, die vierte bereits, die ich in meinen 35 Jahren Berufserfahrung miterlebe. Dieses Mal: KI und humanoide Roboter, die angeblich „in wenigen Jahren“ in unseren Fabriken arbeiten sollen. Der Aktienkurs? Minus 3,4% nach seiner Keynote. Die Börse hat offenbar ihre eigene Meinung zu den Zukunftsversprechen.
Hardwaregigant mit Softwareträumen
Wer ist eigentlich Nvidia? Vor dem KI-Boom waren sie vor allem für Grafikprozessoren bekannt, die Gamer mit immer realistischeren Darstellungen begeisterten. Heute macht dieser Geschäftsbereich nur noch 22,2% des Umsatzes aus. Der Löwenanteil von 77,8% entfällt auf „Lösungen für Rechenzentren und Netzwerke“ – also genau die Hardware, die für die rechenintensiven KI-Modelle benötigt wird.
Diese Transformation hat Nvidia zu einem der wertvollsten Unternehmen der Welt gemacht, mit einer Marktkapitalisierung von fast 3 Billionen Dollar. Das liegt vor allem daran, dass Nvidia bei den leistungsstarken Chips für KI-Anwendungen praktisch ein Monopol besitzt. Eine klassische Angebotsknappheit bei explodierender Nachfrage – ein Traum für jeden Unternehmer.
Der 1-Billion-Dollar-Plan
Huang verkündete auf der Entwicklerkonferenz GTC 2025, dass der Markt für Rechenzentren-Infrastruktur bis 2028 auf 1 Billion Dollar anwachsen werde. Eine beeindruckende Zahl, die jedoch kritisch hinterfragt werden sollte. Woher sollen diese Investitionen kommen? Wer trägt die astronomischen Energiekosten für die neuen Rechenzentren?
„Für die meisten Mittelständler sind das abstrakte Zahlen ohne Bezug zur Unternehmensrealität“, erklärt Karl Schmidt, Geschäftsführer eines mittelständischen Maschinenbauunternehmens aus Neckarsulm. „Wir schauen auf unsere Energiekosten, auf Personalengpässe und darauf, wie wir unsere Produktivität heute steigern können.“
Roboter-Träume und Produktionsrealität
Besondere Aufmerksamkeit bekam Huangs Aussage zu humanoiden Robotern: „Dies ist kein Fünf-Jahres-Problem, sondern ein Problem von wenigen Jahren.“ Der Nvidia-Chef glaubt, dass sich Fertigungsbetriebe als Erste mit humanoiden Robotern ausstatten werden, da dort die Einsatzfelder klar definiert seien.
„Die Vermietungsrate für einen menschlichen Roboter liegt wahrscheinlich bei 100.000 Dollar, und ich denke, das ist eine ziemlich gute Wirtschaftlichkeit“, so Huang.
Als jemand, der seit Jahrzehnten mit Automatisierungslösungen in der Fertigungsindustrie arbeitet, kann ich nur den Kopf schütteln. Die Integration von Industrierobotern ist bereits heute ein komplexer, teurer und langwieriger Prozess. Humanoide Roboter würden diesen Prozess nicht vereinfachen, sondern verkomplizieren.
„Wir haben 2010 unsere Fertigungslinie teilautomatisiert“, berichtet Michael Weber, Produktionsleiter bei einem mittelständischen Zulieferer in Heilbronn. „Damals hieß es auch, in fünf Jahren würden Roboter die meisten manuellen Tätigkeiten übernehmen. Heute, 15 Jahre später, arbeiten bei uns immer noch Menschen Hand in Hand mit Maschinen – und das wird auch so bleiben.“
Disney und Google als ungewöhnliche Partner
Interessanterweise präsentierte Nvidia auf der Konferenz einen Star-Wars-inspirierten Roboter namens „Blue“, der in Zusammenarbeit mit Google DeepMind und Disney Research entwickelt wurde. Dieser Roboter nutzt eine Physik-Engine namens „Newton“, die später als Open-Source-Projekt veröffentlicht werden soll.
Die Demonstration war beeindruckend, aber für den Industriestandort Deutschland etwa so relevant wie ein Besuch im Disneyland. Unterhaltungsroboter mögen für Themenparks interessant sein – mit der Produktionsrealität des Mittelstands haben sie wenig zu tun.
Geldquellen für die KI-Revolution
Finanzierungsfragen für die KI-Infrastruktur werden zunehmend wichtiger. Nvidia hat sich einer Gruppe angeschlossen, zu der auch Microsoft, BlackRock und die von Abu Dhabi unterstützte Investmentgesellschaft MGX gehören. Elon Musks xAI-Unternehmen ist ebenfalls Teil dieses Konsortiums.
Die neu benannte „AI Infrastructure Partnership“ will zunächst 30 Milliarden Dollar an Kapital von Investoren, Vermögenseignern und Unternehmen generieren und potenziell bis zu 100 Milliarden Dollar mobilisieren, einschließlich Fremdfinanzierung.
Diese Geldmengen unterstreichen eines: KI-Infrastruktur ist ein kapitalintensives Geschäft, das sich nur die größten Unternehmen leisten können. Für mittelständische Unternehmen stellt sich nicht die Frage, ob sie eigene KI-Modelle trainieren, sondern wie sie bezahlbar auf bestehende Lösungen zugreifen können.
Die Ernüchterung an der Börse
Bemerkenswert ist, dass trotz aller Ankündigungen die Nvidia-Aktie nach der Keynote um 3,4% fiel. Seit Jahresbeginn hat das Papier sogar 14% verloren – ein Zeichen dafür, dass selbst die Wall Street beginnt, die Wachstumsgeschwindigkeit von Nvidia zu hinterfragen.
„Ich denke, was wirklich mehr der Kern der Keynote [von Huang] war, waren wirklich nur ein paar mehr Details zu dem, was wir bereits wussten, dass es in Arbeit ist“, sagte Benchmark Company-Analyst Cody Acree gegenüber Yahoo Finance. „Größtenteils waren es viele inkrementelle Details, die relativ klein waren.“
Was bedeutet das für deutsche Unternehmen?
Für die meisten mittelständischen Unternehmen in Deutschland gilt: Beobachten, aber nicht überhasten. KI wird in den kommenden Jahren zweifellos Einzug in viele Geschäftsprozesse halten, aber die Umsetzung wird graduell erfolgen und nicht über Nacht.
„Wir setzen bereits heute KI-Lösungen in der Qualitätskontrolle ein“, berichtet Sabine Müller, Geschäftsführerin eines Automobilzulieferers aus der Region. „Aber das sind spezifische Anwendungen mit klarem Nutzen, nicht die futuristischen Szenarien, die auf solchen Konferenzen präsentiert werden.“
Mein Fazit: Bodenständig bleiben
Als jemand, der sowohl die Fertigungsindustrie als auch die Technologiebranche gut kennt, rate ich zu einer nüchternen Betrachtung. Nvidias Erfolg ist beeindruckend, und KI wird zweifellos viele Bereiche unserer Wirtschaft verändern. Aber zwischen den Visionen des Nvidia-CEO und der Implementierung in der betrieblichen Praxis liegen Welten.
Meine Empfehlung an mittelständische Unternehmen: Identifizieren Sie konkrete Einsatzfelder für KI mit klarem ROI. Setzen Sie auf bewährte Lösungen statt auf Zukunftsvisionen. Und vergessen Sie nicht: Auch im Zeitalter der KI bleiben gut ausgebildete Fachkräfte und solide Geschäftsmodelle der Schlüssel zum Erfolg.
Oder wie wir in Schwaben sagen würden: „Net schwätza, macha!“
Quellen
- https://www.techradar.com/computing/artificial-intelligence/nvidia-google-and-disneys-ai-powered-star-wars-robot-is-absolutely-the-droid-ive-been-looking-for
- https://www.presse-citron.net/nvidia-devoile-ses-2-superordinateurs-personnels-boostes-a-lia/
- https://www.zonebourse.com/cours/action/NVIDIA-CORPORATION-57355629/actualite/Le-buzz-social-Wallstreetbets-Les-actions-sont-majoritairement-en-hausse-avant-le-marche-mercredi-49374001/
- https://www.zonebourse.com/cours/action/MICROSOFT-CORPORATION-4835/actualite/Nvidia-et-xAI-rejoignent-Microsoft-et-BlackRock-pour-developper-l-infrastructure-de-l-IA-49373952/
- https://finance.yahoo.com/news/nvidia-xai-join-microsoft-blackrock-103853183.html
- https://www.zonebourse.com/cours/action/MICROSOFT-CORPORATION-4835/actualite/Nvidia-et-xAI-rejoignent-Microsoft-et-BlackRock-pour-developper-une-infrastructure-d-intelligence-a-49373896/
- https://ca.finance.yahoo.com/news/nvidia-gtc-heres-what-wall-street-is-saying-about-jensen-huangs-performance-103328385.html
- https://finance.yahoo.com/news/nvidia-gtc-heres-what-wall-street-is-saying-about-jensen-huangs-performance-103328385.html
- https://ca.finance.yahoo.com/news/nvidia-ceo-humanoid-robot-revolution-100134721.html
- https://finance.yahoo.com/news/nvidia-ceo-humanoid-robot-revolution-100134890.html