
Andrea Mueller, Landespolitischekorrespondentin Baden-Wuerttemberg
Im Landtag tuschelt man bereits: Friedrich Merz‘ überraschender Paris-Besuch bei Emmanuel Macron markiert einen bemerkenswerten Strategiewechsel des designierten Bundeskanzlers. Während er in Berlin noch um eine Regierungsbildung ringt, setzt der CDU-Chef bereits außenpolitische Akzente. Meine Spätzle-Connections im Staatsministerium bestätigen: Diese Reise war mehr als nur symbolische Politik.
Außenpolitischer Neuanfang mit Frankreich
Nur zwei Tage nach Macrons Treffen mit Donald Trump flog Merz mit einem Jet der Flugbereitschaft in die französische Hauptstadt. Das vertrauliche Abendessen mit dem französischen Präsidenten diente offenkundig dazu, die deutsch-französische Achse neu zu justieren – eine klare Abkehr vom distanzierten Verhältnis der Scholz-Ära.
„Die Botschaft ist eindeutig“, erklärt mir ein hochrangiger CDU-Stratege aus Baden-Württemberg, „Merz will die europäische Führungsrolle Deutschlands wieder aktiver gestalten.“ Anders als Scholz, der für seine zögerliche Haltung kritisiert wurde, setzt Merz auf eine enge Abstimmung mit Paris – gerade angesichts der Herausforderungen durch Trumps Rückkehr ins Weiße Haus.
Das Weimarer Dreieck als Zukunftsmodell
Diplomaten in Stuttgart und Berlin hoffen nun auf eine Wiederbelebung des „Weimarer Dreiecks“ mit Deutschland, Frankreich und Polen. Almut Möller vom European Policy Centre sieht sogar Potenzial für eine erweiterte „Koalition williger Staaten“ unter Führung von Merz, Macron und dem polnischen Regierungschef Donald Tusk.
Mein RegioTrend-Analyzer zeigt: Diese außenpolitische Offensive kommt bei der CDU-Basis im Ländle gut an. „Wir brauchen ein starkes Europa, wenn Amerika sich zurückzieht“, betont ein CDU-Kreisvorsitzender aus dem Schwarzwald. Die Sorge vor einem sicherheitspolitischen Vakuum durch Trumps transatlantische Neuausrichtung treibt viele um.
Innenpolitische Baustellen: Der Ton macht die Musik
Doch während Merz in Paris diplomatische Finesse zeigt, sorgt sein Auftreten in Berlin für Irritationen. „Friedrich Merz dirigiert in einem Tonfall, als habe seine Partei eine absolute Mehrheit gewonnen“, kritisiert ein prominenter Kommentator. Mit 28,5 Prozent der Stimmen muss der CDU-Chef jedoch Kompromisse eingehen – vor allem mit der SPD als einzig realistischem Koalitionspartner.
Sein Brief an Olaf Scholz, den er als „Memorandum of Understanding“ bezeichnete, wurde in politischen Kreisen als zu forsch wahrgenommen. „Ich erwarte, dass…“ – dieser Kommunikationsstil könnte die Koalitionsverhandlungen erschweren. Meine Kontakte in der Landespressekonferenz bestätigen: Merz muss seinen Ton ändern, wenn er erfolgreich regieren will.
Die Schuldenbremse als Stolperstein
Die größte Herausforderung für den designierten Kanzler könnte jedoch die Finanzierung der Bundeswehr werden. Verteidigungsminister Boris Pistorius hält jährliche Ausgaben von mindestens 100 Milliarden Euro für nötig – eine Summe, die sich kaum aus dem regulären Haushalt finanzieren lässt.
Merz steht vor einem Dilemma: Für eine Reform der Schuldenbremse oder ein neues Sondervermögen bräuchte er eine Zweidrittelmehrheit im Bundestag, die er nicht hat. AfD und Linke könnten eine Verfassungsänderung blockieren. Nun werden verschiedene Optionen diskutiert – von Gesprächen mit der Linkspartei bis hin zu einem „Verteidigungs-Soli“ nach dem Vorbild des Solidaritätszuschlags.
„Das wäre das erste gebrochene Wahlversprechen“, kommentiert ein SPD-Landtagsabgeordneter süffisant. Schließlich hatte Merz im Wahlkampf Steuersenkungen für die „arbeitende Mitte“ versprochen.
Zeitdruck und europäische Erwartungen
Die EU drängt auf eine schnelle Regierungsbildung in Berlin. „Europa braucht so schnell wie möglich eine handlungsfähige deutsche Regierung“, betonte EU-Außenbeauftragte Kaja Kallas nach der Bundestagswahl. Merz selbst hat Ostern als Ziel für die Regierungsbildung genannt.
Der Zeitdruck ist enorm, denn wichtige Entscheidungen zur Verteidigung Europas und zur Ukraine-Unterstützung stehen an. Der EU-Sondergipfel am 6. März wirft bereits seine Schatten voraus.
Fazit: Der Kanzler in spe auf Bewährung
Friedrich Merz steht vor der Herausforderung, gleichzeitig außenpolitische Akzente zu setzen und innenpolitisch tragfähige Kompromisse zu finden. Sein Paris-Besuch zeigt, dass er die europäische Dimension seiner künftigen Kanzlerschaft ernst nimmt. Doch in Berlin muss er noch beweisen, dass er vom Oppositionsführer zum Brückenbauer werden kann.
Wie ein erfahrener Winzer aus dem Remstal mir kürzlich sagte: „Beim guten Weinbau muss man wissen, was in den Wurzeln passiert, um die Früchte zu verstehen.“ In diesem Sinne wird Merz‘ Erfolg davon abhängen, ob er sowohl die europäischen Herausforderungen als auch die innenpolitischen Realitäten richtig einschätzt.
In meinem nächsten „Stuttgart.Update“-Newsletter werde ich ausführlicher auf die Reaktionen der CDU-Basis im Ländle eingehen. Und im Podcast „Landespolitik Inside“ spreche ich mit Experten darüber, welche Auswirkungen Merz‘ Kanzlerschaft auf Baden-Württemberg haben könnte.
Andrea Müller berichtet aus dem Stuttgart-Büro von HEIMATNERD.74
Quellen
- https://www.zonebourse.com/actualite-bourse/Emmanuel-Macron-va-rencontrer-le-conservateur-allemand-Friedrich-Merz-mercredi-FAZ-49171580/
- https://www.stern.de/news/merz-reist-zu-vertraulichem-treffen-mit-macron-nach-paris-35502334.html
- https://www.stern.de/politik/deutschland/friedrich-merz-muss-dringend-seinen-ton-aendern-35501340.html
- https://www.fr.de/politik/ueberraschender-paris-besuch-nach-trump-treffen-merz-bespricht-lage-mit-macron-93596087.html
- https://www.abendblatt.de/podcast/article408416780/joerg-quoos-merz-muss-runter-vom-baum.html
- https://www.tz.de/politik/nach-trump-treffen-merz-eilt-nach-paris-die-rueckkehr-des-weimarer-dreiecks-zr-93595973.html
- https://www.merkur.de/politik/nach-trump-treffen-merz-eilt-nach-paris-die-rueckkehr-des-weimarer-dreiecks-zr-93595973.html
- https://www.berliner-zeitung.de/news/nach-wahlsieg-friedrich-merz-reist-nach-paris-treffen-mit-emmanuel-macron-li.2302508
- https://www.tagesspiegel.de/politik/friedrich-merz-muss-sich-bewegen-die-schuldenbremse-lahmt-deutschland-13280692.html
- https://www.merkur.de/wirtschaft/mehr-geld-fuer-die-bundeswehr-neuer-vorschlag-sieht-steuererhoehung-fuer-alle-vor-zr-93595869.html