Standortfaktor ICE: Warum Heilbronn die Fernverkehrsanbindung wirtschaftlich braucht

Thomas Burkhard, Wirtschaft und Mittelstand

Wenn wir über die Zukunftsfähigkeit des Wirtschaftsstandorts Heilbronn sprechen, kommen wir an einem Thema nicht vorbei: der ICE-Anbindung. Als der letzte planmäßige ICE am 14. Dezember des vergangenen Jahres den Heilbronner Hauptbahnhof verließ, ging mehr als nur ein Zug – es war ein Stück wirtschaftliche Perspektive, die auf unbestimmte Zeit die Schienen verließ.

Die Fakten liegen auf dem Tisch: Während eines halbjährigen „Testlaufs“ – der eigentlich nur eine Notlösung wegen Bauarbeiten auf der Riedbahn war – konnte Heilbronn zeigen, was in ihm steckt. Die Hochschule Heilbronn hat die Nutzung akribisch dokumentiert. Über 2.200 Bürger beteiligten sich an einer Umfrage. Das Ergebnis? Die Verbindungen wurden rege genutzt. Und das, obwohl sie kaum beworben wurden und jederzeit wieder wegfallen konnten.

Die Kosten-Nutzen-Rechnung der Bahn greift zu kurz

Die Deutsche Bahn spricht dennoch von einer „Nachfrage im niedrigen Bereich“. Als Unternehmer muss ich sagen: Diese Rechnung ist zu kurzsichtig. Wer nur auf die unmittelbaren Ticketverkäufe schaut, verkennt den wirtschaftlichen Gesamtzusammenhang.

Nehmen wir vergleichbare Mittelstädte wie Montabaur oder Göppingen. Nach der ICE-Anbindung in Montabaur siedelten sich zahlreiche Unternehmen neu an, die Grundstückspreise stiegen, und die Pendlerströme nach Frankfurt und Köln nahmen deutlich zu. Das ist kein Zufall – das ist messbare Wirtschaftskraft.

Was der Mittelstand wirklich braucht

In Gesprächen mit den Mitgliedern der Mittelstandsvereinigung Heilbronn wird immer wieder ein Punkt deutlich: Die Erreichbarkeit ist entscheidend für die Fachkräftegewinnung. Ein Beispiel aus meinem eigenen Unternehmen: Für einen Spezialisten aus Berlin war die fehlende Direktverbindung der Grund, warum er sich gegen uns und für einen Wettbewerber in Stuttgart entschied.

Die Zahlen sprechen eine klare Sprache: Unternehmen in ICE-angebundenen Mittelstädten haben im Durchschnitt 12% weniger Probleme bei der Fachkräfteakquise. Das ist kein Luxusproblem, sondern existenziell für den Wirtschaftsstandort.

Die vermeintlichen technischen Hindernisse

Die Bahn argumentiert mit Kurven und Langsamfahrstrecken. Aber seien wir ehrlich: Wenn es wirtschaftlich sinnvoll ist, findet sich auch eine technische Lösung. Die Schweiz macht es vor – dort werden auch topografisch anspruchsvolle Strecken in das Fernverkehrsnetz integriert.

Zudem: Die temporären ICE-Umleitungen haben bewiesen, dass es technisch machbar ist. Die Züge kamen an, die Fahrgäste stiegen ein und aus. Wo ein wirtschaftlicher Wille ist, ist auch ein bahntechnischer Weg.

Was auf dem Spiel steht

Heilbronn ist mit einem Bruttoinlandsprodukt von über 15 Milliarden Euro und mehr als 7.000 mittelständischen Unternehmen ein wirtschaftliches Schwergewicht in Baden-Württemberg. Ohne adäquate Verkehrsanbindung droht dieser Motor ins Stottern zu geraten.

Die Rechnung ist einfach: Eine Region, die nicht optimal erreichbar ist, verliert an Attraktivität. Unternehmen siedeln sich woanders an, Fachkräfte ziehen weiter, Investitionen bleiben aus. Das kostet am Ende mehr als ein paar ICE-Halte.

Was jetzt zu tun ist

Als Wirtschaftsregion müssen wir jetzt Fakten schaffen:

  1. Eine fundierte Wirtschaftlichkeitsanalyse, die über die simple Fahrgastzählung hinausgeht
  2. Eine Allianz aus Wirtschaft, Hochschule und Politik, die mit einer Stimme spricht
  3. Konkrete Zusagen der ansässigen Unternehmen zur Nutzung der Verbindungen

Ab dem 17. April bekommen wir eine zweite Chance – wieder nur wegen Bauarbeiten anderswo. Diese Zeit müssen wir nutzen, um zu beweisen, dass Heilbronn nicht nur eine Notlösung, sondern eine wirtschaftlich sinnvolle Dauerlösung sein kann.

Fazit: Keine Almosen, sondern Investitionen

Wir bitten nicht um Almosen von der Deutschen Bahn. Wir fordern eine wirtschaftlich vernünftige Entscheidung. Eine ICE-Anbindung für Heilbronn ist keine Luxusfrage, sondern eine Standortfrage.

Wie beim Rebschnitt in unseren Weinbergen geht es um Weitsicht und Investition in die Zukunft. Wer nur auf die Kosten des Moments schaut, verkennt den Ertrag der kommenden Jahre. Die Wirtschaftsregion Heilbronn hat diese Anbindung nicht nur verdient – sie braucht sie.

Quellen

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