„Des goht gar ned!“ – Warum Heilbronner Katzenbesitzer jetzt handeln müssen

Karl-Heinz Kalle Schmid, Resort Lokales und Tradition

Wenn Anja Fischer vom Tierheim Heilbronn von den Zuständen erzählt, wird mir ganz anders. „Letzte Woche haben wir wieder drei Katzenbabys in einem Karton vor der Tür gefunden“, sagt sie und schüttelt den Kopf. Ich kenne Anja noch von früher, als ihr Vater den Tierschutzverein leitete und ich als junger Reporter meine ersten Geschichten über ausgesetzte Tiere schrieb. Damals wie heute das gleiche Problem: zu viele herrenlose Katzen, zu wenig Verantwortung.

Seit dem Gemeinderatsbeschluss vom vergangenen Dienstag ist es amtlich: Heilbronn bekommt eine Katzenschutzverordnung. Was für ein Wortungetüm! Aber hinter dem Beamtendeutsch steckt eine einfache Botschaft: Wer seine Katze draußen rumlaufen lässt, muss sie kastrieren, kennzeichnen und registrieren lassen. Punkt.

„Des werd au Zeit!“, sagt Stadtrat Hermann Weinbrenner (72), den ich seit unseren gemeinsamen Tagen beim Gesangverein Harmonie kenne. Er hat den Antrag mit eingebracht. „Mir könnet net zugugga, wie sich die Katz‘ unkontrolliert vermehret und dann im Elend lebet.“

Von Stammtisch-Kritikern und echten Experten

Im Adler in Böckingen, wo ich seit 30 Jahren meinen Stammtisch pflege, scheiden sich an dem Thema die Geister. „Jetzt kommt die Katzenpolizei!“, wettert mein alter Schulfreund Dieter und haut mit der Faust auf den Tisch, dass die Viertele wackeln. „Die sollet sich lieber um die wichtigen Sachen kümmern!“

Was die wichtigen Sachen sind? Da frage ich lieber Tierärztin Dr. Katharina Möhler vom Kleintierzentrum AniCura. Ich kenne sie noch als junge Assistentin, als ich meinen alten Kater Purzel einschläfern lassen musste. Heute leitet sie eine der größten Tierarztpraxen der Stadt.

„Herr Schmid“, sagt sie und nimmt sich Zeit für mich, obwohl das Wartezimmer voll ist, „wir behandeln wöchentlich verletzte Streunerkatzen. Ohne Chip können wir keinen Besitzer finden. Und die unkastrierten Tiere vermehren sich explosionsartig.“ Sie zeigt mir Fotos von abgemagerten Katzen mit entzündeten Augen. „Das muss nicht sein.“

Die harten Fakten

Die Zahlen, die mir das Tierheim nennt, sprechen eine deutliche Sprache: Über 1.000 Katzen haben sie allein im letzten Jahr aufgenommen. Tausend! Das ist mehr als doppelt so viel wie vor zehn Jahren, als ich zum 25-jährigen Jubiläum des Tierheims eine Reportage schrieb.

Die Tierschutzorganisation PETA spricht sogar von zwei Millionen heimatlosen Katzen in Deutschland. Zwei Millionen! Das ist mehr als die Einwohnerzahl von Hamburg. Viele dieser Tiere leiden unter Krankheiten, Hunger und Misshandlungen.

Eine unkastrierte Katze kann theoretisch für über 400.000 Nachkommen in sieben Jahren sorgen. Das hat mir schon vor Jahren der alte Tierarzt Dr. Breitenbach vorgerechnet, Gott hab ihn selig. Damals habe ich’s kaum glauben können, aber die Mathematik lügt nicht.

Was bedeutet das für Otto Normal-Katzenhalter?

Für Heilbronner Katzenbesitzer heißt das konkret: Sechs Monate Zeit, um drei Dinge zu erledigen:

  1. Kastrieren lassen
  2. Kennzeichnen lassen (Chip oder Tätowierung)
  3. Registrieren lassen (im Haustierregister)

„Des koscht was“, gibt Weinbrenner zu. Eine Kastration schlägt mit 100 bis 200 Euro zu Buche, ein Chip mit etwa 50 Euro. „Aber wer sich a Katz leisten kann, muss au Verantwortung übernehma.“

Für Sozialleistungsempfänger gibt es immerhin Zuschüsse. Das hat mir Sozialdezernentin Martina Bauer bestätigt, die ich noch aus meiner Zeit als Berichterstatter aus dem Rathaus kenne.

Die andere Seite der Medaille

Nicht alle sind begeistert. Herbert Maier vom Kleintierzüchterverein, mit dem ich früher manches Viertele getrunken habe, sieht die Sache kritisch: „Die Leut‘ werdet ihre Katz‘ jetzt einfach nimmer nauslosse. Des isch au net artgerecht.“

Ein berechtigter Einwand. Aber wie so oft im Leben geht es um Abwägung. Was wiegt schwerer: Das Recht der einzelnen Katze auf uneingeschränkten Freigang oder der Schutz von tausenden Streunern vor Elend und frühem Tod?

Mein Fazit nach 40 Jahren Lokalberichterstattung

Als einer, der seit vier Jahrzehnten über Heilbronn berichtet, habe ich viele gut gemeinte Verordnungen kommen und gehen sehen. Manche haben was gebracht, manche waren für die Katz‘, wie wir Schwaben sagen.

Diese hier könnte tatsächlich einen Unterschied machen. Wenn – ja wenn – sie auch konsequent umgesetzt wird. Denn Papier ist geduldig, das weiß niemand besser als ein alter Zeitungsmann wie ich.

„Wer kontrolliert des?“, fragt mein Stammtischbruder Dieter zu Recht. Die Antwort der Stadt: Stichproben und Hinweise aus der Bevölkerung. Na, da bin ich mal gespannt.

Eines ist sicher: Wer seine Freigängerkatze nicht kastrieren lässt, muss damit rechnen, dass sie eingefangen und auf eigene Kosten kastriert und registriert wird. Und das wird teurer als der freiwillige Gang zum Tierarzt.

„Des goht gar ned!“, würde meine verstorbene Mutter sagen. Dass man erst mit Strafen drohen muss, damit Menschen Verantwortung übernehmen. Aber manchmal braucht’s eben den Druck von oben.

In diesem Sinne: Kümmert euch um eure Katzen, liebe Heilbronner! Nicht nur, weil’s jetzt Pflicht ist, sondern weil’s richtig ist. Des hat mir mei‘ Oma schon beigebracht, und die hat noch gewusst, was sich gehört.


Karl-Heinz „Kalle“ Schmid ist seit 35 Jahren Lokalreporter in Heilbronn und kennt die Stadt wie seine Westentasche. In seiner Serie „Kalle kennt Jeden“ beleuchtet er lokale Themen aus persönlicher Perspektive.

Quellen

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